Plastik ist billig, widerstandsfähig und vielseitig einsetzbar. Seitdem in den 50er Jahren Plastik Einzug in unsere Gesellschaft gehalten hat, ist sein Boom (fast) ungebrochen. Spätestens seit den 70ern ist es aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig ist inzwischen jedoch auch mehr als deutlich geworden, welche Probleme uns die Mengen an Plastik bereiten. Der Plastikmüll sammelt sich immer weiter an und verschmutzt die Weltmeere. Mikroplastik gefährdet unsere Gesundheit. Da hilft nur eins: Wir müssen unseren Plastik-Konsum massiv einschränken und auf nachhaltige, plastikfreie Alternativen zurückgreifen. Doch welche sind das? Ist es heute überhaupt noch möglich, ohne Plastik zu leben?
Problem Nr. 1: Wegwerfplastik
In den 50er Jahren, der Frühzeit des Plastiks, wurden die neuen Kunststoffe hauptsächlich in langlebigen und wiederverwendbaren Produkten verwendet (z.B. Tupper-Ware). Doch mit der weiteren Entwicklung der Konsumgesellschaft kam ab den 70er Jahren das Wegwerfplastik hinzu. Plastik konnte so günstig produziert werden, dass man es nach seiner Verwendung genauso gut wegwerfen konnten. Plastiktüten, Einweggeschirr, Getränkeflaschen & Co schienen DIE Lösung für die moderne Gesellschaft zu sein. Erst nach gut 30 Jahren wurde allmählich deutlich, welches Ausmaß an Problemen uns diese Entwicklung an Unmengen von Plastik beschert hat und bis heute beschert. Es ist schon erstaunlich, wie sehr uns die blendenden Vorteile des Plastiks für mehr als ein halbes Jahrhundert die klare Sicht auf die Dinge nahmen. Zwar hat inzwischen eine langsame Abkehr vom Einwegplastik und die Umstellung auf biologisch abbaubare, wiederverwendbare Kunststoffe begonnen. Doch der Weg zum plastikfreien Alltag ist noch weit.
Plastik weglassen – geht das überhaupt?
Wenn du dir vornimmst, ab heute plastikfrei zu leben, wirst du schnell merken, dass ein Leben ohne Plastik heute gar nicht mehr möglich ist. Selbst wenn du auf Müllsäcke, Plastikstrohhalme und anderes Wegwerfplastik verzichtest, wirst du schnell merken: Plastik ist einfach überall! In Computern, Kreditkarten, Kleidung, Zahnpasta, Sonnencreme- ja sogar in Bleistiften, Kaffeefiltern und vielen weiteren alltäglichen Produkten versteckt es sich.
Läden, die unverpackte Ware anbieten, sparen viel Plastik ein. Ganz ohne Plastik geht es aber auch hier nicht. Sie verzichten zwar auf kleinteilige Verpackungen, bei der Lieferung und Lagerung der Waren sind sie jedoch auf Plastik angewiesen. Dennoch lässt sich Plastik in vielen Bereichen ersetzen: Beim Lebensmitteleinkauf, in der Küche, im Badezimmer, im Büro… Doch bevor du die nächsten Schritte in Richtung eines plastikfreien Lebensstils meisterst, möchte ich dir sagen: Der Begriff „plastikfrei“ beschreibt das langfristige Ziel, keinen Plastikmüll mehr zu hinterlassen. Plastik ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern wir müssen lernen, richtig damit umzugehen. Überfordere dich also nicht mit einem Kaltstart von 0 auf 100 und gehe die Sache Schritt für Schritt an. Denk dran: Niemand ist perfekt – und sich langsam zu verändern ist besser, als gar nichts zu tun!
Tipps für einen grünen Alltag ohne Plastik
Schritt 1: Deine Grundausstattung
Zu Beginn deines plastikfreien Lebens solltest du in ein paar Dinge investieren, die dir helfen, zu Hause und unterwegs unnötigen Plastikmüll zu vermeiden:
Trinkflaschen aus Edelstahl
Eine wiederverwendbare Trinkflasche aus Edelstahl, die du zu Hause oder unterwegs mit Leitungswasser auffüllst hilft dir, auf Einmal-Flaschen zu verzichten.
Jutebeutel
Der gute alte Jutebeutel ist stabil und langlebig und damit die ideale Alternative zur Einkaufstüte.
Lunchbox
Statt mittags auf den Döner in Alufolie oder die Currywurst in der Plastikschale zurückzugreifen, solltest du dein Mittagessen abends vorkochen. In einer praktischen Lunchbox aus Edelstahl kannst du es am nächsten Tag überall hin mitnehmen.
Obst- und Gemüsenetz
Um Obst und Gemüse aus dem Supermarkt zu kaufen, greifen wir gerne zu den dort angebotenen kostenlosen Tüten. Kleine Obst- und Gemüsenetze aus Baumwolle erfüllen denselben Zweck- mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass du sie ewig wiederverwenden kannst.
Einmachgläser
In Omas guten alten Einmachgläsern kannst du Lebensmittel wie Nudeln, Nüsse oder Rosinen nicht nur plastikfrei einkaufen, sondern auch lagern.
Schritt 2: Gewohnheiten ändern
Plastikmüll zu vermeiden, bedeutet nicht nur, ein paar Dinge zu ersetzten oder nicht zu kaufen. „Plastikfrei“ ist eine Lebenseinstellung, die du dir nach und nach aneignen solltest. Hier ein paar Grundregeln, die dir den plastikfreien Alltag erleichtern:
Ausleihen
Früher wurde im Dorf alles miteinander geteilt. Vom Besen bis zur Milchkanne halfen sich die Dorfbewohner gegenseitig aus. Heute erlebt die gemeinsame Nutzung von Dingen durch Carsharing, Kleiderkreisel, Foodsharing, Nachbarschaftsnetzwerke und viele andere Ideen der sogenannten „Sharing Economy“ einen zweiten Frühling. Durch das Ausleihen von Produkten vermeidest du Plastikverpackungen und sparst Ressourcen, indem du dir keine Dinge anschaffst, die am Ende ungenutzt in der Ecke stehen.
Wiederverwenden
Trinkhalme, Einkaufstüten, Kaffeebecher oder Plastikgeschirr: Jahrzehntelang haben wir uns angewöhnt, diese Dinge nur einmal zu benutzen und dann wegzuwerfen. Glasstrohhalme, Stoffbeutel, Porzellantassen und Edelstahlbesteck lösen dieses Plastikmüll-Problem. Du musst sie nur mitnehmen, wenn du zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Picknicken in den Park gehst.
Hinterfragen
Wir Deutschen gelten als zuverlässig, diszipliniert und gesellig – gute Eigenschaften, auf die wir stolz sein können. Doch mit unserem Umweltbewusstsein sieht es nicht gerade so gut aus. Immer noch kaufen wir die Milch im Tetrapack, obwohl direkt daneben die Milch in der Pfandflasche steht. Fehlendes Umweltbewusstsein beim Einkaufen sorgt für eine Menge Plastikmüll. „Benötige ich dieses Produkt aus Plastik wirklich oder kann ich auch darauf verzichten?“. Indem du dir diese Frage stellst, bevor du etwas in den Einkaufkorb legst, sparst du viel Plastikmüll ein.
Reparieren
Der Toaster ist defekt, die Sohle deiner Schuhe löst sich ab. Zeit, diese Dinge wegzuschmeißen? Lange Zeit dachten wir so, was uns den Ruf „Wegwerfgesellschaft“ einbrachte. Um natürliche Ressourcen nicht weiter rücksichtslos zu verschwenden, sollten wir Dinge möglichst wieder reparieren. In sogenannten „Repair-Cafés“ kannst du das zusammen mit anderen tun. Das Resultat: Du produzierst weniger Müll und erlebst mehr Gemeinschaft.
Selber machen
Wenn du bei der Suche nach plastikfreiem Spülmittel, Zahnpasta oder Shampoo verzweifelst, gibt es eine großartige Alternative: Do ist yourself! Überall findest du inzwischen Rezepte für selbst gemachte Haushaltsartikel und Kosmetikprodukte. Die notwendigen Zutaten wie Natron, Kokosöl oder Zitronensäuren sind alle plastikfrei erhältlich.
Recyceln
Wenn du Plastikmüll nicht vermeiden kannst, solltest du dazu beitragen, dass so viel Abfall wie möglich „stofflich verwertet“ werden kann. Denn das heißt recyclen: Aus den Abfällen gewinnen wir Rohstoffe, die zu neuen Produkten verarbeitet werden. Verpackungsmüll aus Kunststoff, Alu, Weißblech sowie Getränkekartons kommen in die gelbe Tonne bzw. den gelben Sack. Dabei solltest du folgendes beachten:
Joghurtbecher und andere Verpackungen müssen nicht ausgewaschen werden, „löffelsauber“ reicht;
Kombinationen von Papier und Plastik oder Alu und Plastik (z.B. Brötchentüten mit Sichtfenster, Joghurtbecher) solltest du möglichst getrennt entsorgen;
enthält eine Verpackung unterschiedliche Plastikfolien (z.B. Käse- und Wurstverpackungen) bitte Schale und Deckel trennen.
Schritt 3:
7 Alternativen für den Alltag ohne Plastik
Mit deinen wiederverwendbaren Trinkflaschen, Jutebeuteln und Lunchboxen hast du bereits den Grundstein für deinen plastikfreien Alltag gelegt. Doch immer noch landet so mancher vermeidbare Müll in deinem gelben Sack. Hier noch einige Tipps für plastikfreie Alternativen:
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Strohhalme ohne Plastik
Lange Zeit haben wir die kleine Plastikröhrchen benutzt, ohne uns Gedanken zu machen. Inzwischen findet man massenweise Plastiktrinkhalme an den vermüllten Stränden der Welt. Dabei sind sie so leicht zu ersetzen: Wiederverwendbare Trinkhalme aus Glas, Bambusholz, Edelstahl oder essbare Halme aus Makkaroni Nudeln oder gepressten Fruchtresten erfüllen denselben Zweck und schonen die Umwelt. Oder du verzichtest ganz einfach auf deinen Strohhalm und trinkst direkt aus dem Glas!
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Lufterfrischer ohne Plastik
Unangenehme Gerüche nach dem Toilettengang, Küchengerüche oder ein muffiger Kleiderschrank: Darauf würden wir alle gern verzichten. Lufterfrischer aus der Plastikdose lassen den Raum für kurze Zeit wie eine Sommerwiese duften. Doch schon nach kurzer Zeit ist das Raumparfüm verflogen und der Geruch bleibt. Eine natürliche Alternative ist Bambus-Aktivkohle. Als kleine 200g-Säckchen verpackt dient sie als Luftentfeuchter und Duftneutralisier zugleich. Die Säckchen sind biologisch abbaubar und wirken mindestens zwei Jahre lang. (Alle 4 Wochen für 2 Stunden in die Sonne legen!)
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Plastik-freie Zahnbürste
Seit Jahrzehnten kennen wir Zahnbürsten nur noch aus Plastik, die in Plastikverpackungen verkauft werden. Doch es geht auch anders! Plastikfrei verpackte Holzzahnbürsten aus Bambus- oder regionalem Buchenholz putzen genauso gründlich wie herkömmliche Zahnbürsten. Die Borsten werden aus Holzkohle, Rizinusöl oder einem biologischen Kunststoff hergestellt.
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Spülbürsten plastikfrei
Fettig, platt gedrückt und unansehnlich: Spülbürsten aus Plastik müssen oft schon nach kurzer Zeit entsorgt werden. Plastikfreie Spülbürsten aus Buchenholz und Edelstahl mit Borsten aus Fiebre (einer natürliche Agavenfaser) oder Rosshaar erfüllen den gleichen Zweck, leben länger und sehen auch noch gut aus.
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Duschgel und Shampoo ohne Mikroplastik
Für Duschgel und Shampoo verbrauchen wir nicht nur etwa alle vier Wochen eine Plastikflasche. Es enthält auch jede Menge Mikroplastik. Dusch- und Haarseife am Stück ist nicht nur (meist) plastikfrei verpackt. Sie besteht aus natürlichen Zutaten und schäumt und riecht gut.
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Alternativen zur Frischhaltefolie
Um Käse, Brot oder Essensreste möglichst lange frisch zu halten, gibt es Frischhaltefolie aus Plastik. Leider verursacht auch dieses Helferlein unglaublich viel Plastikmüll bei meist nur einmaliger Verwendung. Eine großartige plastikfreie und wiederverwendbare Alternative sind Bienenwachstücher. Sie bestehen aus zertifizierter Baumwolle und Bienenwachs oder pflanzlichem Wachs als vegane Variante. Durch die Wärme der eigenen Hände schmiegen sich die luftdurchlässigen Tücher perfekt an die Form des Käses an und halten ihn frisch.
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Plastikfreie Kaffeekapseln
Eine Reihe rund um die ganze Erde: So viel leere Kaffeekapseln produzieren wir im Kaffeetrinkerland Deutschland jedes Jahr. Auch die Anhänger des guten alten Filterkaffees produzieren durch die Plastikverpackung des Filterpapiers unnötigen Plastikmüll. Doch auch hier gibt es nachhaltige und plastikfreie Alternativen: Wiederbefüllbare Edelstahlkapseln, Kaffeefilter aus Edelstahl oder die gute alte silberne Espresso-Kanne versprechen vollen Kaffeegenuss.
Vielleicht kommt dir der Weg zu einem plastikfreien Leben nach der ersten Euphorie noch steil und beschwerlich vor. Das ist ganz normal. Doch du wirst sehen: Wenn du diese Dinge regelmäßig wiederholst, werden sie allmählich zur täglichen Routine und erscheinen dir irgendwann selbstverständlich. Eine große Hilfe ist auch, sich mit anderen Menschen, die dasselbe Ziel haben, zusammenzutun. Daher: Tut Euch zusammen und helft mit, dass wir diese Erde als einen besseren Ort verlassen, als wir ihn vorgefunden haben!
Silke Lemhöfer ist Heilpraktikerin und Homöopathin mit eigener Praxis für klassische Homöopathie und Naturheilverfahren.